Schmuck aus Notzeiten

  • Vor einigen Jahren habe ich das Buch "Lebenszeichen - Schmuck aus Notzeiten" zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für angewandte Kunst Köln erworben. Seitdem haben durch Flohmärkte und Ebay ein paar der im Buch vorgestellten Schmuckstücke seinen Weg zu mir gefunden.

    Die Ausstellung, die ich leider nicht besucht habe, beschäftigte sich mit Schmuck, Schmückendem und Zierrat, der während oder kurz nach den beiden Weltkriegen aus unterschiedlichstem Alltagsmaterial und aus unterschiedlichsten Gründen hergestellt wurde.

  • Los geht's mit zwei (Tabak-)dosen, die in Kriegsgefangenschaft entstanden aus Weißblech entstanden sind. Sie wurden aus vielerlei Gründen von den Gefangenen hergestellt: um die Langeweile zu vertreiben, als Mitbringsel für eine geliebte Person, als Erinnerung, als Tauschobjekt.

    1. Kriegsgefangenschaft Garmisch 1946
    (bezahlt: 0,5€)

    2.
    Meine Gefangenschaft in
    Rennes
    St. Paul Angoula
    Stenney.
    vom 6.4.45
    bis 25.4.46

    Verziert ist der Deckel außerdem mit Blütenranken.
    (bezahlt: 1€)

  • Ringeringeringeringe

    Westwallringe:
    Westwallringe waren ursprünglich selbsthergestellte Erinnerungsringe an die Zwangsarbeit zur Erbauung des Westwalls. Später wurden sie jedoch in großen Stückzahlen und mit vielen verschiedenen Motiven als Patriotika hergestellt.
    Der hier gezeigte Spiralring gehört zur Ursprungsform. Es rankt sich folgende Geschichte um den Westwallring:
    Wie der Westwallring entstand
    Sie saßen in der Stube beisammen, die Männer vom Westwall. Den ganzen Tag über hatten sie Gräben aufgeworfen, Bunker befestigt und die Grenze gegen den Feind in ein Netz von Eisendraht eingesponnen. Nun war Feierabend. Man schrieb, man sang, man flüsterte, man träumte.
    Unter den Männern war auch ein Goldschmied. Gottfried Grau hieß er. Er stammte aus Pforzheim. Dieser Gottfried Grau hatte sich ein Stück "Gold des Kriegers" in die Stube mitgenommen: ein Stück Eisendraht. Spielerisch wand er nun das kürzere Endes dieses Drahtes zu einem Ring und bog das längere Ende mit der Feile zu einer Schnecke, die bald wie eine Rosette auf dem schmalen Reifen lag. Dann streifte er vorsichtig den Ring über den Finger und betrachtete ihn prüfend wie ein Schmuckstück aus seiner alten Werkstatt.
    Die anderen Männer waren aufmerksam geworden. Sie schauten über die Schulter des Goldschmiedes.
    "Er ist schön, dieser Ring", meinte ein junger Mann verträumt. "Er passt zu uns."
    Nachdem Gottfried Grau am Westwall seine Pflicht getan hatte, kehrte erin sein Heimatstädtchen zurück. Beim Abschied von seinen Kameraden besann er sich auf den eisernen Ring, den er damals geformt hatte. Er zog ihn aus der Tasche und gab ihn dem jungen Manne. "Zum Andenken!" sagte er dabei ernst. -
    Als ein Jahr vorüber war, kam Gottfried Grau wieder zum Westwall, aber diesmal nicht als Schanzarbeiter, sondern im grauen Rock des Soldaten. Bei der Begrüßung mit seinen neuen Kameraden stellte er fest, dass mancher unter ihnen einen eisernen Ring mit einer gewundenen Schnecke am Finger trug, jenen Ring, wie er ihn einmal gerstellt und verschenkt hatte. Er fragte die Soldaten nach dem Ursprung dieses Schmuckes. Sie konnten es nicht sagen. Einer hatte ihn beim anderen gesehen, man hatte gefühlt, dass dieser Ring eine tiefe Bedeutung besaß und versuchte, ihn nachzumachen. So waren viele Ringe entstanden, "Westwallringe" nannten sie die Soldaten einfach.
    Gottfried Grau merkte, dass sseine geübten Finger hier gute Arbeit leisten könnten. Er verbrachte von nun an seine freie Zeit damit, in der Waffenmeisterei Westwallringe herzustellen. Die Soldaten halfen ihm dabei.
    Und wenn die Soldaten heute ihren Kameraden den selbstgeformten Ring an den Finger stecken, den Offizieren und den Mannen, so sagen sie dabei: "Zum AndenkenQ"
    Und es klingt wie ein Gelöbnis der Kameradschaft für alle Zeiten.

    (bezahlt: 7,50€)

    2. Es handelt sich um einen Westwallring in Achteckform aus Messingguss. Ringschultern und -schiene sind versilbert und mit drei gezackten, schlichten Ornamenten dekoriert.
    Es gibt im Internet einen guten Katalog zu allen Westwallringen in pdf-Format. Dieser Ring ist dort offensichtlich Ausführung Nr. 016.
    (bezahlt: 2€)

  • Und hier weitere Ringe, die vermutlich als Freizeitbeschäftigung oder Erinnerung an der Front entstanden sind. Als Material wurde oft Aluminium (aus Rohren von Flugzeugen), "Plastik" (von Zahnbürsten oder defekten Geräten) und andere Alltagsmaterialien verwendet.
    Da wir im K&T und nicht im MFF sind, halte ich mich mit den patriotischen Ringen kurz.

    1. Soldatenring "Le Mans 1940" aus Aluminium
    (bezahlt: 6,80€)

    2. Soldatenring "Wolchowfront 1942" aus Aluminium und Plastik
    (bezahlt: 0,5€)

    3. Ring aus Aluminium und Plastik (undatiert, Entstehungszeit und -ort unbekannt)
    (bezahlt: ca. 1-3€)

  • Die Fotos zum Münzring aus England kommen, sobald ich hier wieder Fotos hochladen kann/ darf.

    Die ganzen Eiserne-Kreuz-Schmuckstücke spare ich an dieser Stelle mal aus. Denn es soll hier nicht um Patriotika, sondern um spannenden Schmuck aus Notzeiten gehen.

    Es kommt noch ein Armreif, der aus einem Granatführungsring hergestellt wurde und eine ausgesägte Münzbrosche, von der eine identische Ausführung auch im Buch zu sehen ist.

  • Brosche aus Kopeken:
    Diese Brosche habe ich mal auf einem Flohmarkt gefunden, leider fehlt die Broschierung. Eine identische Brosche ist zusammen mit einem Münzarmband im Buch "Schmuck aus Notzeiten" abgebildet.
    Der Text dort:
    Ring und Anstecknadel. Kopeken (Wert 5, 10, 15 [ausgesägt] der Jahre 1887/89 und 1913/15)
    Undatiert (Zweiter Weltkrieg)
    Privatbesitz Pforzheim.
    Der Onkel des Leihgebers, ein gelernter Goldschmied, fertigte während seiner Gefangenschaft in Rußland für seine Frau das Armband und die kleine Brosche aus Kopeken.

    Das bedeutet zwar nicht, dass auch meine Brosche von diesem Goldschmied hergestellt wurde, ist aber durchaus wahrscheinlich und insgesamt eine tolle Geschichte, finde ich. Bei mir sind es übrigens 2x 10 und 1x 15 Kopeken.

    Meine weiteren Münzbroschen klemme ich mir an dieser Stelle, zumal ich sie dafür neu fotografieren müsste.

  • Beliebt waren auch Kupferarmreifen aus Granatführungsringen. Man munkelt, davon gab es während des Krieges genug...
    Die im Buch abgebildeten Armreifen werden auf den 1. WK datiert, sodass ich meinen Armreif ebenfalls in diese Zeit datieren kann.

    Diese Art Armreifen ist dem Kriegsgedenkschmuck zuzuordnen. Stücke Sie erinnerten an ein bestimmtes Kriegsereignis, zu dem der Träger einen ganz persönlichen Bezug hatte. Die Armreifen wurden zwar auch von den Trägern selbst gefertigt, allerdings hatten auch hier die Pforzheimer wieder ein goldenes Näschen. Derartige Armreifen mit unterschiedlichen Verzierungen (Eichenlaub, Reichsadler...) und professionell gearbeitetem Verschluss wurden vermutlich industriell gefertigt und dann von Pforzheimer Firmenvertretern in Musterkoffern an die Front gebracht, wo sie von Soldaten als Erinnerungsstücke erworben und teilweise direkt vor Ort graviert wurden.

    Für mein Exemplar habe ich 6,50€ bezahlt.

    In dem Buch sind etliche weitere Schmuckstücke abgebildet. Viele davon von Privatpersonen aus Brotteig, Holz, Blech, Plexiglas... hergestellt. Aber auch patriotische Arbeiten von Fahrner und Einzelstücke an Nachkriegsschmuck anderer bekannter Künstler sind zu sehen. Spannend sind auch die völlig unauffälligen und allseits bekannten Monogrammringe, floralen Stabbroschen und runden, floralen Anhängern, die in der Nachkriegszeit aus alten eingeschmolzenen Silbermünzen und Besteckteilen hergestellt wurden. Klar, auch Schmuck aus Notzeiten!

  • Luci,
    ich hätte da noch ne komplette Broschierung, Silber, Russland 19tes. Wie lang muss denn die Nadel sein und wie groß ist der Abstand zwischen den zwei Einzelböcken?? Dann müsstest Du nur die Nadel einschieben und ne Splint durchjagen.....alternativ eben so wiese ist neu auflöten, sollte sie passen. Kannste so haben.......:-)


  • Oh, das klingt gut! :)
    Die Nadel müsste mind. 4cm lang sein. Der Abstand zwischen den Böcken beträgt etwa 2mm. Eine ganz neue Broschierung würde ich ungerne auflöten, da dadurch ja die Rückseite der Münzen noch mehr angegriffen wird.
    Falls deine Nadel nicht passen sollte, belasse ich es im Ursprungszustand oder suche mir ENDLICH mal einen fähigen Goldschmied in der Nähe. Ich hätte da durchaus ein paar Reparaturarbeiten zu erledigen und könnte einen Goldschmied meines Vertrauens gut gebrauchen.

  • Ich denke, es sind fließende Grenzen mit einem hohen Grad an Überschneidungen zwischen "Notschmuck" und patriotischem Schmuck. Ist ja auch logisch.
    Dein Ring gehört wohl zu den patriotischen Ringen. Ob er "selbstgebastelt" ist oder industriell für ein breites Publikum gefertigt wurde, kann man von der Vorderseite nicht sagen. Ich schätze aber schon.

  • Anlässlich meines kleinen Flohmarktfundes vom letzten Wochenende belebe ich mal wieder diesen Thread.
    Zunächst einmal handelt es sich lediglich um einen kleinen, bernsteinfarbenen Plastikanhänger mit rückseitig eingekerbten Blümchen. Handarbeit.

    Warum aber das Material und das Motiv?
    Meine Interpretation:
    Der Anhänger stammt etwa aus den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts und stammt somit aus Kriegs- bzw. Nachkriegszeiten. Zu dieser Zeit war edles Material selten und für die meisten unerschwinglich. Ein paar Jahrzehnte zuvor (Beginn 20. Jhdt.) wurde jedoch der Kunststoff entwickelt, der hier als günstiges Ausgangsmaterial dient.
    Die Form erinnert noch an die Zeit des Art Déco, allerdings passt das florale Motiv nicht dazu. In den vierziger Jahren sehnte man sich nach Frieden und Ruhe und orientierte sich an den traditionellen, unverfänglichen Motiven der Vorkriegszeiten, weshalb hier das florale, eher naturalistisch gehaltene Blumenmotiv gewählt wurde.

    Einwände? :)

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