• Diese Latwergenmodel der Winklerschen Apotheke (heute Stadtapotheke Innsbruck) fand aus den Kleinanzeigen zu mir. Ein paar Zeilen zu solchen Formen, auch aus dieser Apotheke, finden sich hier auf Seite 21. https://publikationsserver.tu-braunschweig.de/servlets/MCRFi…1-1935-1936.pdf

    In diesem Artikel zu Ludwig Winkler ist von der "Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" die Rede. https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Winkler_(Pharmazeut)
    Das ist vermutlich ein Teil der Aufschlüsselung der rückseitigen Inschrift: I.G.f.G.d.Ph., Innsbruck, 21.9.-25.9.1961. Den ersten Buchstaben dazu habe ich noch nicht geknackt.

    Auch unklar ist mir noch, was Latwergen denn nun überhaupt sind. Hier ist von einem "steifen Brei" die Rede. https://de.wikipedia.org/wiki/Latwerge
    Der würde aber doch sofort zerlaufen, wenn man ihn aus dem Model kippt. Im ersten Link ist vom Verkauf in "Holzspanschachteln" die Rede. Es muss also schon etwas stabiles, haltbares sein.

    Eine Möglichkeit wäre, dass es Quittenbrot ist, wie es hier gezeigt wird.
    https://www.youtube.com/watch?v=XKEcbAJ6oTo

    Helft mir googlen:
    1.) Was wurde mit der ursprünglichen Model konkret hergestellt?
    2.) Wofür steht das "I" von I.G.f.G.d.Ph., wenn der Rest "Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" heißt?

  • :o Die eine Frage hat sich wohl schon erübrigt. "I" steht für "Internationale":

    Bereits [...] 1926 gründeten der Österreicher Ludwig Winkler [...] die Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie.[...] Nach [...] dem Zweiten Weltkrieg formierte sich die Gesellschaft neu und gab sich 1949 den Namen Internationale Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Internati…e_der_Pharmazie

    • Offizieller Beitrag

    Noch einen Blick in Krünitz Enzyklopädie von 1773 .1853 geworfen zum Thema Latwerge liest man dort folgendes

    Latwerge, Gr. und Lat. Eclegma, Electuarium; Fr. Electuaire,

    Im Franz. ehemahls Latuaire, im Böhm. Letkwar. alle aus dem Lat. Electuarium, und dieses aus dem Griech. Εκλειγματαριον, von εκλειχειν, auslecken. Schon die mittlern Griechen sagten für Ελεκτουαριον, Λατουαριον und Λατουαριν, daher man sich über die Wegwerfung der ersten Sylbe in den spätern Sprachen um so viel weniger verwundern darf.
    in den Apotheken, ein mit Honig, Syrup etc. in Gestalt eines dicken Breyes vermischtes Pulver, oder auch zu einem solchen dicken Brey eingekochter Saft.

    Die Latwergen sind weniger flüssig als ein Saft, so daß man davon etwas mit der Spitze eines Messers, oder mit einem Spatel heraus nehmen kann, ohne daß es von den Seiten herunter laufen sollte. Man giebt ihnen sonst auch den Nahmen Opiate, und einige von ihnen nennt man Consectiones, z. B. Confectio Alkermes. *

    Nach der verschiedenen Dicke der Latwergen giebt man ihnen noch verschiedene Benennungen. Sind sie flüssiger als gewöhnlich, so heißen sie Looch, oder Lehoch; sind sie so flüssig als ein Saft, Liuctus (Leck=Saft); sind sie hingegen dicker als gewöhnlich, daß man daraus eine kleine Kugel formiren kann, um sie auf ein Mahl herunter zu schlucken, so nennt man diese einen Bolus (Bissen).
    Sie bestehen aus Pulvern, Extracten, Conserven, Säften, Oehlen, Gummen, Harzen u. d. gl. die mit einem Zucker=Saft oder mit geläutertem Honig ganz einfach vermischt, und daher eigentlich zusammengesetzte Conserven sind.

    Die Bereitung der Latwergen ist sehr einfach. Der Honig oder Zucker wird vorher in Wasser aufgelöset, und zur Dicke eines Zucker=Saftes eingekocht. Bestehen die übrigen Ingredienzien bloß aus Pulvern, so werden diese nach und nach zu dem Safte, der vorher kalt geworden seyn muß, zugeschüttet, und mit einem Agitakel gut vermischt. Sind aber <65, 594> Extracte, Conserven, oder andere dergleichen Substanzen, die nicht zu Pulver gemacht werden können, dazu zu nehmen, so vermischt man diese vorher ganz gleichförmig mit dem Safte, und schüttet dann erst die Pulver hinzu. Wesentliche Oehle und Balsame bleiben bis zulezt.

    Die Quantität des Saftes, die zu einer Latwerge erfordert wird, richtet sich nach der Beschaffenheit der Pulver, die zugemischet werden sollen, nach dem diese nähmlich mehr oder weniger Flüssigkeit einziehen. Bey vegetabilischen Substanzen, als: Wurzeln, Kräutern, nimmt man 3 Theile Saft zu 1 Theil Pulver. Diese Mischung scheint anfangs sehr flüssig zu seyn; innerhalb 24 Stunden aber, nachdem die Pulver den überflüssigen Saft in sich gezogen, haben sie die rechte Consistenz einer Latwerge. Zu andern, als: Gummen, Harzen, rechnet man ungefähr ein gleiches Gewicht; und bey mineralischen Substanzen, die Hälfte ihres Gewichtes an Zucker=Saft. Wenn zu einer Latwerge leichtere und schwere Materien, als z. B. Eisenfeil, vermischet werden sollen, so muß man die Mischung dicker machen, weil sie sonst, indem das Eisenfeil seiner Schwere wegen niedersinken würde, nicht gleichförmig bleibt.

    Da die Pulver und die übrigen Ingredienzien zu den Latwergen oft in ihrer Natur und Beschaffenheit ganz verschieden sind, so bemerkt man auch, daß einige sogleich nach der Verfertigung, andere später, in Gährung übergehen, und noch andere ein ganzes Jahr, ja etliche Jahre durch, gähren. Da in diesen Arzeney=Mitteln jederzeit Zucker oder Honig gegenwärtig ist, so können sie nicht so leicht in die faulende Gährung übergehen. Ueberdem kommt hierzu noch, daß, da die Substanzen so verschieden sind, eine Substanz zu gähren anfängt, indem die andere aufhört, und also die neue Verbindung, die diese un<65, 595>ter der Gährung eingegangen ist, wieder aufhebt. Dieses gilt vornehmlich von denjenigen Latwergen, die aus vielen Ingredienzien, die theils aromatisch, salzig, harzig oder gummig sind, bestehen, als: der Theriak, Mithridat, Confectio de hyacintho. Bey diesen bemerkt man, etliche Jahre durch, eine gelinde innerliche Bewegung oder Gährung, ohne daß sie dadurch verderben, oder an ihren Heil=Kräften eben sehr leiden sollten. Doch ist nicht zu läugnen, daß nicht manche flüchtige Theile durch die fortgesetzte innere Bewegung verloren gehen. Dagegen aber hören die Latwergen, worin viele schleimige und pulpenartige Substanzen enthalten sind, als: das Electuarium lenitivum, diacatholicum etc. bald, nachdem sie verfertigt sind, zu gähren auf, werden schimmelig, trocknen ein, und verderben binnen weniger Zeit. Von diesen muß man daher entweder nur sehr geringe Quantitäten machen, oder, welches noch besser ist, bloß die Pulver in Gläsern gut verstopft vorräthig halten, und jederzeit auf der Stelle, so viel als eben gebraucht wird, zusammen mischen. Ueberhaupt müssen alle Latwergen an kühlen Orten, und vor dem Zutritt der Luft sehr wohl vermacht, aufbewahret werden.

    Mit besten Sammlergrüßen

    Gratian

    Alle meine Aussagen erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, jedoch ohne Gewähr für Ihre Richtigkeit. In keinem Fall wird für Schäden, die sich aus der Verwendung der abgerufenen Inhalte ergeben, Haftung übernommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Gratian (8. Juni 2020 um 22:51)

  • :) Danke für diesen besonders aufschlussreichen Beitrag! Ich bin das Projet mit größtem Misstrauen angegangen. Es ist im Grunde ja zu lang gekochte Marmelade. Die hätte ich aber mit Gelierzucker gemacht. Dass die Masse auch mit normalem Kristallzucker fest wird hat mich überrascht. Zusätzlich habe ich Erdbeeren genommen, weil ich die gerade zuhause hatte. Da sie wenig Pektin enthalten hätte es eigentlich erst recht nicht klappen sollen. Nungut, geklappt hat es hervorragend. Mittlerweile gab es einen zweiten Durchgang mit Marille und einen dritten mit Apfel. Klappt immer gleich gut - vermutlich liegt es an der Einhornmodel.

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    nachdem schon so viel Wissenschaftliches und Wissenswertes über die Latwerge hier geschrieben wurde, möchte ich auch ein wenig von meinem Senf dazu geben.

    Die moderne Pharmazie hält in Europa mit dem Wirken des Universalgelehrten Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, Schweizer Arzt, Naturphilosoph, Alchemist, Laientheologe und Sozialethiker, Einzug. Er lebte von 1493 bis 1541 lebte. Ihm verdanken wir die ersten systematischen Forschungsansätze zu den damals schon bekannten, aber auch neuen Arzneimitteln. Im verdanken wir die Erkenntnis, dass Arzneien Wirkungen aber auch Nebenwirkungen besitzen.

    Sich mit seinem Leben und Wirken zu beschäftigen, kann ich Euch nur ans Herz legen...er wird nicht zu Unrecht als Vater der modernen Pharmazie bezeichnet, obgleich die Alchemie zu seiner Zeit, aber auch noch für 200 Jahre danach intensiv betrieben wurde. Paracelsus verdanken wir die Betrachtungen über die Dosis von Arzneimitteln, die gering dosiert Krankheiten günstig beeinflussten, aber zu hoch dosiert, giftig waren.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Paracelsus

    Daraus ergab sich, dass die genaue Einstellung der Wirkmenge eines Arzneimittels oberstes Gebot schien. Dabei galt es die teils bitteren, stark riechenden, ekelerregenden Arzneien so zu verpacken, dass sie sich zu gerne eingenommenen Medikamenten wandelten. Und so wurden über die Jahrhunderte der Forschung aus Tränken Säfte und Tropfen, aus Arzneibissen wurden Oblaten, süße Latwerge, Küchlein, Trochisci und Zältlein, die sich später zu süß ummantelten Dragees, Kapseln oder Tabletten usw. veränderten. Deren Dosis, und das ist das Allerwichtigste, genauestens eingestellt war.

    Und so zeigst Du uns hier eine schöne Latwergenmodel, die für Quittenbrot aber bestimmt ungeeignet ist. Das war bei uns früher zur Weihnacht in Pastillenform geschnitten, auf dem Weihnachtsteller zu finden. Leider existiert der alte Quittenbaum nicht mehr. Latwergen fanden innerlich, aber auch äußerlich Anwendung.

    Liebe Grüße Winfried


    Mein Avatar zeigt ein Narrenflötchen des 16. Jahrhunderts aus dem Töpferort Raeren.

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  • Und so zeigst Du uns hier eine schöne Latwergenmodel, die für Quittenbrot aber bestimmt ungeeignet ist.

    :) Auf deine Stellungnahme habe ich gehofft! Am Zettel steht: "Die eingegossenen Latwergen wurden als [...] Leckerei (Quittenlatwerge) verkauft." Falls du eine Idee hast, wie die konkret hergestellt wurden - ich freue mich über den Hinweis. Das Rezept zum Quittenbrot und das von Numis-Student verlinkte Rezept zur Quittenlatwerge sind sich sehr ähnlich. Ich kann mir also schon vorstellen, dass das nah am historischen Vorbild ist.

    • Offizieller Beitrag

    :eek::D

    Dann mache ich mich mal auf die Suche.....allerdings weiß ich momentan nicht wo! Mal sehen.

    Liebe Grüße Winfried


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    • Offizieller Beitrag

    Auch Johannes Coler erwähnt in seinem ab 1591 herausgegebenen Hausbuch Latwerge,
    aber ich finde leider kein Rezept, nur verschiedene Bezeichnungen und wogegen sie zu verwenden sind. Später wurden diese Bücher immer ausführlicher und die Gattung der Hausvaterliteratur war geboren, dann meist in Folio und aufwendig gestaltet. Ich bin sicher in diesen Büchern finden sich auch Latwergen Rezepte.
    Auch in diesem Apothekenverzeichnis sind einige gelistet
    Und hier haben wir einige Rezepte ua sogar gegen die Pest

    Und wenn du dich selbst nicht trauen solltest hier eine fürs Pferd vielleicht wächst ihm dann ein Horn ;)

  • :cool: Das ist ja ein spannender Link! Vielen Dank dafür!

    Wenn ich das richtig verstanden habe ist "Latwerge" ein Begriff, der über die Zeit verschiedene Bedeutungen hatte, vom mittelalterlichen Arznei-Brei bis hin zum heutigen Pflaumenmus.

    Nun ist am Zettel die Quittenlatwerge besonders erwähnt, deshalb interessiert mich die am meisten. Der Link von Numis-Student deckt sich ungefähr mit dem Youtube-Rezept vom Quittenbrot. Es wird also schon ungefähr so gemacht worden sein.

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