- Offizieller Beitrag
Hallo Freunde,
heute möchte ich Euch meine Restaurierung zweier Trichterhalsbecher aus Siegburg zeigen.
Über mein Unterfangen kann man geteilter Meinung sein.
Einige von Euch würden wahrscheinlich die Scherbe als Original so aufbewahren, wie sie ist, eben authentisch, wissenschaftlich zugänglich und zerbrochen (beim Brand oder später).
Wissenschaftlich sind diese Becher (Krüge) längst bearbeitet, der Herstellungsort bekannt, die Zeitstellung fraglos.
(Siegburg, eiförmiger Körper, Fuß und Trichterhals durch Profilierungen abgesetzt, die Wandung im oberen Bereich durch Rillen unterteilt. Darüber Kerbschnitt, darunter Kanneluren, um 1600).
Andere würden sich am unvollkommenen Rest des Gefäßes reiben, die Scherbe ruft nach Ergänz-ung, ihre wunderschöne, vollkommene Form soll wieder erstrahlen.
Und so geht es auch mir. Ich leide beim Anblick des „zerbrochenen Kruges“ Und da ich ja an der Scherbe nichts zerstöre, sondern nur Fehlteile ergänze, habe ich auch kein schlechtes Gewissen bei meinem Tun. Mit geeigneten Mitteln lässt sich ja alles wieder rückgängig machen und entfernen. Außerdem, und hier ist bei mir auch ein wenig Eitelkeit im Spiel, freue ich mich diebisch, wenn der Betrachter fragt: „Ja wo war denn hier etwas kaputt? Da ist doch gar nichts“
Die Ersten Bilder zeigen die beiden Fragmente, die ich von einem Freund in Holland erwerben konnte. Bei dem einen Becher war der Fuß halb weggebrochen, der Trichter war nicht mehr vorhanden. Der zweite Becher teilte fast das gleiche Schicksal, nur hier waren der Fuß und Trichter komplett weggebrochen. Nur die beiden fein gearbeiteten Bäuche lagen völlig unbeschädigt vor mir.
Es galt nun die Fehlteile zu ergänzen.
Für diese Arbeit benutze ich Zweiphasenspachtel, wie er im Automobilbereich allenthalben benutzt wird und in jedem Baumarkt zu kaufen ist.
Diese Spachtelmasse ist anfänglich weich und härtet nach 2%iger Zugabe des Härters in 5 bis 7 Minuten aus. (Gibt man etwas weniger Härter hinzu oder ist die Verarbeitungstemperatur etwas geringer dauert die Aushärtungszeit auch etwas länger) Ausgehärtet lässt sich die Masse leicht bearbeiten. Schmirgeln, schleifen, schnitzen (wenn noch nicht ganz hart), bohren und beschaben, kein Problem.
Später lässt sich die Masse hervorragend bemalen und firnissen. Sie ist nach kompletter Aushärtung steinhart und besitzt hervorragende Haftung an dem Steinzeugscherben.
Zum Bemalen nutze ich Acrylfarben, mit glänzender oder auch matter Trockenoberfläche. Bei der Auswahl der Acrylfarbe lohnt sich die Anschaffung der teureren Qualitäten (Schmincke), da ich feststellen musste, dass Billigfarben beim Trocknen dunkler wurden. Und das ist ätzend: Man malt, kleinste Farbstiche werden ausgeglichen und dann ist im trockenen Zustand die bemalte Fehlstelle plötzlich erheblich dunkler als die Originalfarbe der Umgebung. Außerdem rate ich beim Malen zu Tageslicht mit ca. 6000 Kelvin, hier lassen sich Farbstiche besser beurteilen. Solltet Ihr bei solchen Malereien Schwierigkeiten beim Beurteilen der Farbstiche haben, fragt Eure Frauen. Frauen haben bei der Beurteilung von farblichen Abweichungen die besseren Augen. (Wissenschaftlich erwiesen)
Zuerst habe ich mich des halben Fußes des einen Bechers angenommen. Hier bot sich mir die Möglichkeit den halben Fuß komplett abzuformen, ein Duplikat des halben Fußes aus Spachtelmasse herzustellen, dieses zu beschnitzen und dann mit gleicher Spachtelmasse in die Fehlstelle einzusetzen.
Zum Abformen benutze ich „Formaform“ eine „Abformmasse für Einsteiger“. Diese ist im Web bei bei vielen Firmen erhältlich. Die Masse hat große Vorteile.
Im Gegensatz zu Silikon ist Formaform wiederverwendbar. Die flexibel ausgehärtete gummiartige Masse stecke ich in die Mikrowelle und nach wenigen Minuten ist sie flüssig und kann gegossen werden. Ist sie nach Jahren doch etwas hart geworden, gebe ich etwas Wasser beim Erhitzen in der Mikrowelle hinzu, rühre das Wasser unter, und schon ist die Masse wieder hochflexibel.
Nach ein wenig Schnitzerei und Schleiferei passte der halbe Fuß und ich klebte ihn ein. Dann erfolgte die Feinbearbeitung mit Uhrmacher-Feilen, Kratzwerkzeugen und einem Proxxon Handstück. Proxxon erweist sich hierbei als hervorragend brauchbar, der Rundlauf ist gewährleistet und das Handstück liegt gut in der Arbeitshand. Dremelgeräte haben mich sehr enttäuscht. Der Rundlauf war bei meinen Dremels eine Katastrophe, die Fräswerkzeuge, Schleifsteine oder Polierfilze hatten keinen Rundlauf, sondern schlugen wie die Lämmerschwänze, teils im Kreisbogen mit 1mm Spiel.
Für solchen „Piddelskram“ völlig unbrauchbar.
Beim Bearbeiten der Übergangsstellen vom Originalmaterial zum Spachtel ist große Vorsicht geboten. Schmirgelpapier, diamantbeschichtete Werkzeuge und harte Feilen beschädigen ganz leicht die Originalscherbe, glasierte Stellen werden dabei stumpf und das wäre doch schade.
Nun war der Fuß fertig und der Trichter kam dran. Hierzu hatte ich einen geeigneten, unbeschädigten Trichterhalsbecher meiner Sammlung entnommen und, wie schon zuvor den halben Fuß, hier den ganzen Trichter durch Eintauchen in die flüssige Abformmasse von außen abgeformt.
Die erkaltete Form wurde mit Spachtelmasse gefüllt und diese nach dem Aushärten entnommen. Die Trichteröffnung wurde mit Fräsen erweitert, die Trichterwandung von innen mit Schmirgelpapier auf die erforderliche Dicke reduziert. Der Trichter wurde an die Originalscherbe angepasst und mit Spachtelmasse angesetzt.
Das wesentliche Moment bei einer solchen Arbeit ist ein sicheres Gespür für die Form des Ganzen.
Ist der Trichter nicht zu hoch, kragt er nicht zu weit aus, ist die Form des Trichters der Zeitstellung des Gefäßes adäquat? Ist vom Scherben noch so viel vorhanden, dass die Gesamtform rekonstruiert werden kann, ist die Restaurierung einfach. Aber sollen Teile ersetzt werden, die gänzlich fehlen, wird es schon erheblich schwieriger. Und so sind heute viele Trichterhalsbecher und -krüge in den Museen und im Handel zu bestaunen, deren Trichter und/oder Füße völlig fehlten, und die dann ganz furchtbar unförmig restauriert wurden.
Hier möchte ich nun schließen, werde aber gerne Fragen beantworten, so Ihr welche habt.
Gruß - Winfried